
27.12.2018 – Ein Jahr nachdem Mia Valentin in Kandel ermordet wurde.
Peter-Schmidt-News im Interview mit Marco Kurz, Frauenbündnis Kandel.
psn: Ein Jahr nach Mias Tod – was ist ihr Resümee, Marco?
Marco Kurz: Das Resümee kann in wenigen Worten schwer zusammengefasst werden. In jedem Fall muss man trotz der schlimmen Umstände von einem gewissen Erfolg sprechen, den wir über das Jahr hinweg erreicht haben. Sonst würden wir nicht diese massiven Gegenmaßnahmen wahrnehmen, einerseits durch die Presse, andererseits durch die Politik. Sämtliche SPD-Bürgermeister aus der Umgebung haben sich jetzt auf uns eingeschossen. Der größte Erfolg aber ist eindeutig der, dass sich eine unheimlich starke Gemeinschaft aus Menschen gebildet hat, die zusammenhält und beschlossen hat, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Dafür wurde nun sogar ein eigener Verein gegründet.
psn: Jetzt wurde die Gedenkfeier in der öffentlichen Gesinnungspresse zum Teil verschwiegen, zum Teil wurden die Teilnehmer als Rechtsradikale bezeichnet. Wie geht man damit um?
Marco Kurz: Nach einer so langen Zeit ignoriert man das vollkommen. Das wird zu so etwas wie einer Gewohnheit. Ich empfehle auch jedem, der da schon länger dabei ist, Abstand zu nehmen von diesen Medien. Einfach, weil dieser Input einem irgendwann nicht mehr guttut. Man fühlt sich wirklich nur noch angelogen und veräppelt.
Wenn man weiß, in welchem System man lebt, dann versteht man das natürlich auch. Die Verantwortlichen kämpfen hier mit allen Mitteln um ihre Posten, um Gelder und Positionen. Nur darum geht es – nicht um eine mögliche Wahrheit, die sie transportieren wollen.

psn: Sie organisieren nun regelmäßig Aktionen in Kandel. Was wurde durch die allmonatlichen Demonstrationen bisher erreicht?
Marco Kurz: Das Wichtigste was wir erreicht haben ist, dass der Name Mia nicht vergessen wurde.
Dass bisher noch keine Verantwortung übernommen wurde, war abzusehen. Wir haben schon im Frühjahr 2018 gesehen, dass der Landrat von Germersheim beschlossen hat, ab sofort alle als Minderjährige eingestuften Flüchtlinge, altersprüfen zu lassen. Das war aber mehr eine verbale Absichtserklärung, als dass es dann auch in die Tat umgesetzt wurde. In diesem System ist es schwierig, die wirklich Verantwortlichen auch zur Verantwortung heranzuziehen, denn sie haben sich in diesen behördlichen oder staatlichen Positionen im Prinzip ihre Posten geschaffen. Wie sagt man so schön: „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“.
Dementsprechend ist unsere Arbeit da schon schwer. Aber wir haben jetzt in Kandel so viel Arbeit investiert und so vielen Menschen auch Mut gegeben, ebenfalls ihre Stimme zu erheben und Gesicht zu zeigen. Allein das ist schon unheimlich wertvoll.
Was wir in Kandel erreichen, können auch andere Menschen erreichen
psn: Was möchten Sie erreichen. Was sind die Ziele vom Frauenbündnis Kandel?
Marco Kurz: Wir sehen uns als ganz kleinen Teil des deutschlandweiten Widerstands gegen Unrecht, gegen Gewalt und gegen Lügen. Wir können nur Verantwortung für unseren kleinen Bereich übernehmen und hoffen natürlich, dass wir ein Vorbild für Restdeutschland sein können.
Das, was wir in Kandel erreichen, das können auch andere Menschen erreichen. In Kandel waren wir nur wenige, die nun schließlich viele andere mitziehen.
Zur Frage: Was kann ich schon erreichen? Wir beweisen, dass man als Einzelner sehr viel erreichen kann.
So wie es jetzt z.B. auch in Frankreich zu sehen ist. Flächendeckender Widerstand auf der Straße, ein relativ ungeordneter Widerstand, ein dezentral organisierter Widerstand. So sehe ich das auch in Deutschland, möglichst viele Gruppen, die nicht zentral gesteuert sind. Alles, was zentral gesteuert ist, ist auch manipulierbar oder leicht zu zerstören. Wir tun unseren Teil und hoffen, dass andere nachziehen.
400 tolle Menschen waren in einer sehr emotionalen Veranstaltung für Mia in Kandel auf der Straße!
Es erübrigt sich der Hinweis darauf, wie SWR, ZDF und Cobereits berichtet haben!
psn: Was wäre ihr Tipp für Menschen, die ihren Weg gehen möchten, die selbst Demonstrationen oder Organisationen auf die Beine stellen möchten?
Marco Kurz: Im Prinzip ist der einfachste Tipp, erst mal den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bilden. Das heißt, nicht mehr diskutieren, nicht mehr fragen, warum der Gegenüber unzufrieden ist, sondern einfach sagen: Bist du unzufrieden? Ja, dann geh mit mir! Weil alle Diskussionen, die ich in der Vergangenheit erlebte, haben meistens dazu geführt, dass es wieder Streitpunkte gibt.
So wie es die Franzosen machen. Dort ist jeder auf der Straße, der unzufrieden ist und es interessiert die Leute nicht warum der andere unzufrieden ist. Man läuft zusammen, man hat den kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden – das ist die Gelbe Weste.
Und mit der steht man auf der Straße – und so sehe ich das auch in Deutschland – das ist die Zukunft.
Gelbe Westen in Deutschland – die Menschen müssen lernen selbst Verantwortung zu übernehmen
psn: Gelbe Weste – eine Methode, die auch in Deutschland zum Erfolg führen könnte? Wenn man von der typisch deutschen Mentalität ausgeht?
Marco Kurz: Also im Prinzip ist es egal, was man in Deutschland macht, es funktioniert nur über den kleinsten gemeinsamen Nenner. Dass in Deutschland Leute bereit sind was zu tun, das wissen wir ja, es sind halt nur noch nicht so viele wie in Frankreich. In Frankreich sehen wir das gleiche Problem wie hier auch. In Paris z.B. – wenn man dort die Demonstrationen live miterlebt und geht dann nach der Demonstration oder während der Demonstration, ein paar 100 Meter aus dem Demonstrationszentrum heraus, meint man, es wäre nichts geschehen. Auch dort sitzen dann Menschen in den Cafés, laufen durch die Fußgängerzone als wäre alles normal. Und so haben wir das hier in Deutschland auch. Wir haben Leute, die sich intensiv beschäftigen, mit der Thematik, mit den Problemen – und andere verstehen gar nicht, was man überhaupt will. Eine große Masse wird nur erreicht, wenn es den Leuten immer schlechter geht. Dass die Zustände im Land nicht besser werden – ich glaube, das wissen wir alle.
psn: Trotz den Vorfällen mit Mia, mit Ebba, mit Maria und immer wieder ähnlichen Vorkommnissen – obwohl die Menschen auf die Straße gehen – es hat sich nichts geändert. Verstehen kann man das nicht, aber kann man es irgendwie erklären oder einordnen?
Marco Kurz: Wenn wir uns die Geschichte Deutschlands anschauen, die letzten Jahrzehnte, den verlorenen Krieg und so weiter, der Schuldkomplex der uns eingetrichtert wird, versteht man natürlich, dass die letzten Jahrzehnte dazu genutzt wurden, die Menschen willenlos zu machen. Und wir sehen ja auch in den Schulen und in den Kindergärten, wie die Kinder manipuliert, indoktriniert werden, wie dort Politik gemacht wird. Das hat mit Rechtsstaat nichts mehr zu tun. Dementsprechend verstehe ich, dass wir einfach Geduld haben müssen. Du kannst hier nicht mit wenigen Kräften 80 Millionen Menschen umdrehen oder zur Bewegung animieren. Die Menschen lernen leider nur aus der Erfahrung heraus.


Fotos privat.

psn: Sind andere Länder in Europa schon einen Schritt weiter? Denken Sie, dass in Deutschland eine bestimmte Sache – vielleicht auch die Geschichte, der Nationalsozialsozialismus – der Grund ist, dass wir uns da nicht weiterentwickeln können? Was denken Sie ist die Ursache, dass nur in Deutschland nichts geht?
Marco Kurz: Ich glaube der Hauptgrund ist erst mal – wir haben den Krieg verloren. Diejenigen die den Krieg gewonnen haben, haben im Prinzip nach 1945 alles unternommen, um hier weiter Fuß zu fassen und den Menschen, die hier eigentlich nur frei und friedlich leben wollen, das Leben vorzuschreiben und die Zukunft vorzuschreiben. Das haben die anderen Länder um uns herum nicht. Frankreich, Italien, Spanien und so weiter, die konnten sich mehr oder weniger frei entwickeln. Obwohl sie natürlich auch den Einflüssen dieser Finanzoligarchie ausgesetzt sind. Wir haben es schon relativ schwer in Deutschland, das muss man halt dann auch erkennen und dementsprechend vorsichtig agieren. Wir können nicht einfach sagen: o.k., in Frankreich geht’s los, oder in anderen Ländern geht’s los – wir kopieren das einfach Mal. Das funktioniert nicht. Man muss die Seele des Landes auch verstehen.
psn: Das große Ziel! Wenn Sie einen Wunsch frei hätten – was würden Sie sich wünschen?
Marco Kurz: Dass die Menschen lernen selbst Verantwortung zu übernehmen. Ich will jetzt nicht das Wort „Führer“ nennen, aber die Menschen brauchen immer einen Anführer, sie brauchen ein Vorbild, dem sie hinterherlaufen können – weil das natürlich viel einfacher ist, als selber Verantwortung zu übernehmen. Mein Wunsch ist es, dass die Menschen erkennen, dass wir im Prinzip keinen Politiker und keine Regierung bräuchten, um glücklich und friedlich zu leben. Alles Übel in der Welt wird meistens von denen organisiert, die wir am Ende noch gewählt haben.
Das ist eigentlich alles – Verantwortung übernehmen!